Bereits seit Mitte 2014 gibt es eine Verordnung „über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren“, die mit der Verordnung (EU) 2022/1904 des Rats vom 6.10.2022 geändert worden ist. Gemäß Art. 5n Absatz II der VO Nr. 833/2014 ist es danach unter anderem verboten, „unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen (im Bereich) der Rechtsberatung zu erbringen für (…) in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen“. Vor diesem Hintergrund war es für Notare fraglich, in welchem Verhältnis diese Regelung zum notariellen Urkundsgewähranspruch steht. § 17 BeurkG schreibt für eine Beurkundung ja gerade die notarielle Belehrung und Beratung vor.
Entscheidung des EuGH sorgt für Klarheit
Die vorgenannte Problematik wurde nun durch ein Urteil des EuGH vom 5.9.2024 – C-109/23 aufgelöst. Eine Berliner Notar hatte die Beurkundung eines Wohnungskaufvertrags mit Verweis auf die Russland-Sanktionen abgelehnt, da Verkäuferin der Eigentumswohnung eine in Russland niedergelassenen juristischen Person („Visit-Moscow“) mit Sitz in Moskau sein sollte. Auf Beschwerde der Beteiligten wendete sich das berufene LG Berlin per Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.
Beurkundung ist keine „Rechtsberatung“
Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die genannten Sanktionen der typischerweise mit der Beurkundung eines Kaufvertrags und dessen Vollzug verbundenen Notartätigkeit (Löschung von Belastungen; Auskehren des Kaufpreises; Eigentumsumschreibung im Grundbuch) nicht im Weg stehen. Auch Übersetzungsleistungen eines Dolmetschers bei einer solchen Beurkundung sind demnach zulässig. Notare seien keine Dienstleister, sondern „unabhängige (…) Träger eines öffentlichen Amtes“ und nehmen als solche „im Allgemeininteresse liegende (…) Aufgaben (wahr), die der Staat (ihnen) übertragen hat und die der Staat ohne diese Übertragung durch seine Behörden erledigen müsste“. Hiervon zu unterscheiden sei die Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen, welche der EuGH als parteigebundene Interessenvertretung versteht.
Wertungswidersprüche zu Mitgliedsstaaten ohne Notarbeteiligung
Wäre das gegenwärtige Sanktionsregime auch auf das notarielle Beurkundungsverfahren anwendbar, käme es laut dem EuGH auch zu Wertungswidersprüchen im Vergleich mit denjenigen Mitgliedstaaten, die bei Immobiliengeschäften keine Notarmitwirkung vorsehen. Dies sei vom Unionsgesetzgeber ersichtlich nicht gewollt gewesen.
Fazit
Der EuGH stellt mit der Entscheidung die notwendige Rechtssicherheit für die notarielle Praxis her. Es bleibt jedoch dabei, dass im Fall der Beteiligung von in Russland ansässigen Urkundsbeteiligten ein erhöhtes Geldwäscherisiko besteht, dass für den Notar besondere Sorgfaltspflichten zur Folge hat.
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