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Neue Rechtsprechung zur Reichweite des erbschaftsteuerlichen Familienheimprivilegs

Um Kindern im Erbfall die Fortnutzung des Familienheims nach dem Tode des Erblassers zu ermöglichen, ohne durch eine etwaige Steuerbelastung zu einem Verkauf der Immobile gezwungen zu sein, hat der Gesetzgeber bereits zum 01.01.2009 den § 13 Abs. 4c ErbStG eingeführt. Danach ist die Erbschaft einer in Deutschland oder einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen Immobilie durch Kinder und der Kinder verstorbener Kinder steuerfrei, soweit

  • der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war,
  • die Immobilie durch den Erben unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt wird und
  • die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt.

Wir hatten uns in unserem Blog bereits an anderer Stelle zu der Frage geäußert, wann nach der Rechtsprechung eine Unverzüglichkeit der Selbstnutzung angenommen werden kann. Nunmehr liegt erneut aktuelle Rechtsprechung zum Anwendungsumfang des Familienheimprivilegs vor.

Keine Steuerbefreiung für angrenzende Zubehörflächen

Das FG Niedersachsen (Gerichtsbescheid v. 12.7.2023, Az. 3 K 14/23) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Steuerbefreiung für das Familienheim neben dem Wohnhausgrundstück auch ein angrenzendes Garten- sowie Wegegrundstück umfasst. Das Gericht gewährte die Steuerbegünstigung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nur für das mit dem Familienheim bebaute Hausgrundstück und nicht für die selbständig bebaubaren Zubehörflächen. Nach der verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Gesetzesauslegung könne nicht auf zivilrechtliche oder bewertungsrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden, sondern das begünstigte Grundstück müsse originär erbschaftsteuerlich bestimmt werden. Andernfalls könne der Grundstückseigentümer – wie hier geschehen – durch geschickte katasteramtliche Verschmelzung von Flurstücken bzw. durch Vereinigung derselben zu einem Grundstück im Rechtssinne den Umfang der Erbschaftsteuerbefreiung beeinflussen.

Familienheimprivileg auch für Zuwendung in Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Großzügig urteilte dagegen das FG München (Urt. v. 21.6.2023, Az. 4 K 1639/21) zu einem Sachverhalt, in dem die Ehefrau als Alleineigentümerin die gemeinsam bewohnte Immobilie in eine paritätische GbR mit ihrem Ehemann einbrachte. Entgegen dem FA, dass für diesen Vorgang Erbschaftsteuer festgesetzt hatte, gewährte das Gericht die Steuerbefreiung. Obwohl im Streitfall die GbR – und nicht deren Gesellschafter – zur zivilrechtlichen Empfängerin des Schenkungsgegenstands „bebautes Grundstück“ bestimmt worden waren, seien in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht nicht die im zivilrechtlichen Sinn beschenkte Gesellschaft, sondern vielmehr die einzelnen Gesellschafter durch die freigebige Zuwendung als bereichert anzusehen. Dann sei es auch konsequent, den Erwerb von Gesamthandseigentum an einem Grundstück im Rahmen einer GbR von der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a S. 1 ErbStG umfasst anzusehen. Der Begriff des „Miteigentums“ in § 13 Abs. 1 Nr. 4a S. 1 ErbStG umfasse neben dem Bruchteilseigentum i.S.d. §§ 1008 ff. BGB auch das Gesamthandseigentum im Rahmen einer Personengesellschaft (GbR, oHG, KG).

Fazit

In beiden Fällen wurde Revision zum BFH eingelegt, sodass hier eine höchstrichterliche Klärung zu erwarten ist. In der Zwischenzeit sollte vor eine Übertragung eines in GbR gehaltenen Familienheims an einen Ehegatten, aus Sicherheitsgründen die Überführung in Bruchteilseigentum in Erwägung gezogen werden.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

26 Feb., 2024

Dr. Hannes Klühs, Notar in Düsseldorf

Nach Studium und Referendariat in Frankfurt am Main arbeitete ich in den Jahren 2004 bis 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bank- und Kapitalmarktrecht der J.W.G.-Universität in Frankfurt am Main für Prof. Dr. Dr. h.c. Theodor Baums sowie am Institute for Law and Finance (ILF). Im Jahr 2006 wurde mir für meine Dissertation der Doktorgrad der Universität Leipzig verliehen. Während meines Notaranwärterdienstes war ich in meinen heutigen Amtsräumen bei den Notaren Dr. Jörg Tröder und Johanna Brücker in Düsseldorf tätig und ab dem Jahr 2009 als Referent an das Deutschen Notarinstitut in Würzburg (DNotI) abgeordnet. 2013 wurde ich zum Notar auf Lebenszeit in Düsseldorf bestellt. In 2019 begründete ich mit Notarin Johanna Brücker die Sozietät brücker & klühs, notare in Düsseldorf. Seit ihrer Verabschiedung in den Ruhestand im Jahr 2024 führe ich das Notariat als ihr Amtsnachfolger alleine fort. Ich verwahre darüber hinaus die Akten verschiedener anderer Notare. Eine Liste finden Sie hier.