In der notariellen Praxis ist des insbesondere im familiären Kontext immer wieder zu beobachten, dass private Darlehen oder auch Stundungen von Geldbeträgen entweder zinslos oder nur zu sehr niedrigen Zinsen vereinbart werden. Welche schenkungsteuerlichen Folgen ein derartiges Vorgehen haben kann, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Juli 2024 (Az. II R 20/22).
Hintergrund des Urteils
Im vorliegenden Fall gewährte eine Schwester ihrem Bruder auf unbestimmte Zeit ein Darlehen iHv ca. 1,8 Mio. EUR mit einem Zinssatz von 1 %. Das FA setzte Schenkungsteuer iHv 229.500 EUR fest. In der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung sah es eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs. 1 BewG iHv 5,5 %. Daraus ergab sich ein steuerpflichtiger Erwerb von 785.008 EUR. Der Bruder klagte.
Zinsvorteil ist schenkungsteuerpflichtig
Der BFH gab dem Kläger recht. Zwar seien die Vorinstanz zutreffend von einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgrund der zinsverbilligten Darlehensgewährung ausgegangen. Die Gewährung eines Darlehens mit einem Zinssatz unter dem marktüblichen Niveau stelle eine gemischte Schenkung dar. Der Zinsvorteil, den der Darlehensnehmer erhält, gelte als schenkungsteuerpflichtige Bereicherung.
Gesetzlicher Zinssatz von 5,5 % nicht anzuwenden
Die Höhe der Bemessungsgrundlage bestimme sich jedoch nicht nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz iHv 1 % und dem sich aus § 15 Abs.1 BewG ergebenden gesetzlichen Zinssatz von 5,5 %, da ein niedrigerer Wert festgestellt werden könne. Bei der Bewertung des Zinsvorteils sei der tatsächliche marktübliche Zinssatz für vergleichbare Darlehen heranzuziehen. Gemäß den Feststellungen der Vorinstanz lag bei einem mit dem im Streitfall vergleichbaren Darlehen nach den Angaben der Deutschen Bundesbank der Zinssatz im Jahr 2016 effektiv bei 2,81 %.
Die Differenz zwischen dem marktüblichen Zinssatz (2,81 %) und dem vereinbarten Zinssatz (1 %) ergab einen Zinsvorteil von 1,81 %. Da es sich um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte (§ 13 Abs. 2 Hs. 2 BewG), wurde dieser Vorteil mit dem Faktor 9,3 multipliziert, was zu einer schenkungsteuerlichen Bereicherung von 315.748 € führte. Nach Abzug des Freibetrags von 20.000 € ergab sich ein steuerpflichtiger Erwerb von 295.700 €, auf den ein Steuersatz von 20 % angewendet wurde, sodass die festzusetzende Schenkungsteuer lediglich noch 59.140 € betrug.
Fazit
Durch die bisherige Rechtsprechung des BFH war bereits geklärt, dass in der zinslosen Gewährung eines Darlehens bei Fehlen einer sonstigen Gegenleistung eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu sehen ist. Das aktuelle Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Gestaltung von Darlehensverträgen zwischen nahestehenden Personen auch auf marktübliche Konditionen zu achten. Um die pauschale Besteuerung mit 5,5 % zu vermeiden, müssen Steuerpflichtige im Zweifel auch in der Lage sein, den marktüblichen Zinssatz durch geeignete Nachweise belegen. Es empfiehlt sich, bei der Gestaltung solcher Verträge den Rat eines Steuerberaters einzuholen.
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