Der Verkauf eines in der Zwangsversteigerung befindlichen Grundstücks macht für den Notar besondere Vorkehrungen bei der Vertragsgestaltung und der Abwicklung erforderlich. Die sicherste Variante der Vertragsabwicklung stellt das Notaranderkonto dar. Dabei erfolgt die Auszahlung erst nach der Eigentumsumschreibung, wofür aber nicht nur eine Hinterlegung des Kaufpreises, sondern darüber hinaus auch die Einzahlung der Grunderwerbsteuer und der Gerichtsgebühren auf das Notaranderkonto Voraussetzung ist.
Vertragsabwicklung ohne Notaranderkonto
Soll die Vertragsabwicklung – nicht zuletzt aus Kostengründen – ohne Notaranderkonto erfolgen, dann lassen sich die Einstellung der Zwangsversteigerung und die Lastenfreistellung auch im Wege einer Direktzahlung erreichen, wenn die betreibenden und ggf. die vor Eintragung der Vormerkung beigetretenen Gläubiger dem Notar ihre Rücknahmeerklärungen und die Lastenfreistellungsunterlagen zu treuen Händen überlassen. Die Sicherung des Käufers erfolgt dann wie stets bei Direktabwicklung durch die vor Kaufpreiszahlung zu erfüllenden Fälligkeitsvoraussetzungen.
Problem der Widerruflichkeit von Rücknahmeanträgen
Bei Direktzahlung basiert die Fälligkeitsmitteilung jedoch auf dem Vorliegen vollzugsfähiger Rücknahmeanträge gemäß § 29 ZVG der betreibenden bzw. dem Verfahren beigetretenen Gläubiger. In diesem Zusammenhang besteht immer das Risiko, dass der vom Notar treuhänderisch verwahrte Rücknahmeantrag nach Fälligkeitsmitteilung, aber vor seiner Verwendung widerrufen oder durch Insolvenz des Gläubigers unbeachtlich wird. Fraglich war lediglich wie lange die Widerrufsmöglichkeit des Gläubigers besteht, lediglich bis zum Eingang des Antrags bei Gericht oder noch bis zum Aufhebungsbeschluss selbst.
BGH: Widerruflichkeit bis zum Aufhebungsbeschluss
Im letztgenannten Sinne hat nun auch der BGH geurteilt (Beschl. v. 15.2.2024, Az. V ZB 44/23). Im Ausgangspunkt seien Prozesshandlungen wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung zwar dann grundsätzlich unwiderruflich, wenn sie als sogenannte Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen, wie dies etwa bei der Rücknahme der Klage oder der Rücknahme eines Rechtsmittels der Fall sei. Prozesshandlungen, deren bezweckter Erfolg erst auf Grund eines Tätigwerdens des Gerichts eintrete (sogenannte Erwirkungshandlungen), seien dagegen widerruflich, solange durch sie keine geschützte Position der Gegenseite entstanden sei. Daran gemessen handele es sich bei der Rücknahme des Versteigerungsantrags um eine Erwirkungshandlung, da die mit der Rücknahme des Versteigerungsantrags bezweckte Verfahrensbeendigung erst mit dem konstitutiv wirkenden Aufhebungsbeschluss eintrete. Infolgedessen sei die Rücknahme des Versteigerungsantrags nach § 29 ZVG als eine auf den Erlass des Aufhebungsbeschlusses gerichtete Prozesshandlung grundsätzlich bis zum Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses möglich.
Fazit
Durch die Rechtsprechung des BGH ist die Abwicklung von Kaufverträgen versteigerungsbefangener Immobilien über eine Direktzahlung noch riskanter geworden, da auch nach Kaufpreiszahlung bis zum Aufhebungsbeschluss ein Widerruf des Rücknahmeantrags droht. Vor diesem Hintergrund kann eine Gestaltung ohne Notaranderkonto nur noch in den Fällen vertreten werden, in denen nur ein inländisches Kreditinstitut die Zwangsversteigerung betreibt, weitere Komplikationen (insbesondere Beitritte) auszuschließen sind und sich die Situation bereits im Vorfeld der Beurkundung vorklären lässt.
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